Das Cantaloop-Hannover-Tagebuch – Teil III: Das Outro.
Hannover setzt auch in der Kategorie „ungewöhnliche Orte für einen Auftritt“ Akzente. Ehe wir uns versehen, finden wir uns in einem zentralen Klotz mit ganz viel Grau und Waschbeton wieder – ein leerstehendes Kaufhaus, das man kurzerhand in ein Experimentallabor für Kulturelles umfunktioniert hat. Und damit sich die Ortsansässigen nicht umgewöhnen müssen, hat man einfach den ersten Buchstaben entfernt und landet so im „Aufhof“ (Schleichwerbung möchte man ja auch nicht machen – es hätte auch ein „Arstadt“ sein können – verstehste?)
Aber egal, erst mal hinein da! Die großen leeren Flächen wirken schon etwas gespenstisch – Zeit, dass hier Musik einzieht! Unseren Auftritt absolvieren wir mit Begleitung an der Beatbox – es ist leider das letzte Set mit David, der fast schon ein Teil der Familie ist – einstmals unser Küken und nun ein ganz Großer auf seinem musikalischen Weg (schaut doch mal hier: https://www.instagram.com/samtmusik/ ) – es war uns eine Ehre, lieber David – und wir sind uns sicher, wir werden von Dir hören!
Die abendlich stattfindende Nacht der Chöre im Pavillon muss eine tatsächlich lange Nacht gewesen sein. Der Autor dieser Zeilen ist dort leider nicht anwesend, erhält aber spätabends über den chorinternen E-Mail-Verteiler eine Nachricht mit dem vielsagenden Betreff Äh hallo? und der wichtigen Frage Ist noch jemand auf der Party vor dem Pavillon? Oh ja, ganz viele sind noch da! Und einfach weil Chorsänger*innen es können, schmeißt irgendwann jemand die logische Frage in den Raum (bzw. durch die Luft – wir sind ja draußen), ob hier noch wer Butterfly in der Rajaton-Version singen könne. Können wir, wollen wir, machen wir. Die große Wiese an der Lister Meile wird zur spontanen Konzertbühne. Wenn es noch irgendeines Beweises bedarf, dass „Musik verbindet“ keine abgegriffene Floskel ist – bitte schön, hier habt ihr ihn! Allen Leistungsvergleichs zum Trotz. Wir sind in Hannover vor allem eines: Gemeinsam.
Unterdessen klingelt unter der Erde, kurz hinter der Werderstraße, in einer U-Bahn der Linie 1, ein Handy. Auch wenn die Angerufene die Nummer nicht einordnen kann, nimmt sie ab- es könnte ja wichtig sein… Wer hätte schon ahnen können, dass dieses Gespräch unsere nächsten Tage ziemlich auf den Kopf stellen wird?
Zunächst einmal erleben die Umstehenden (zu denen sich der Autor des Textes zählen darf) Schnappatmung in Reinkultur. Und kurz darauf das Versprechen, am Folgeabend für „ausreichend Besetzung zu sorgen“.
Offensichtlich hat der Jury unsere Version der Königskinder so gut gefallen, dass wir diese tatsächlich am Samstag zur besten Sendezeit im Rahmen des Preisträgerkonzertes im Kuppelsaal singen dürfen! Wir sind perplex. Und brauchen ein bisschen, um uns zu sortieren. Zurück im Hotel, verwandelt ein kleiner Kreis die Dachterrasse kurzerhand in eine Art Kommandozentrale, die dem Newsroom der New York Times alle Ehre gemacht hätte. Da werden Handys gezückt, Telefonate geführt und sich auf die Suche nach dem letzten Weinglas zur Beruhigung der Nerven gemacht, während die abendliche Junisonne die denkwürdige Szenerie in fast schon kitschiges Licht taucht. Die Cantaloop-Kommunikationsdrähte beginnen zu glühen und weitere denkwürdige Nachrichten machen die Runde (Wichtig! bzw. Superwichtig! Kommt zurück, wenn ihr könnt!)
Denn wie gesagt: Kurze Entfernungen können verhängnisvoll sein und ein Teil der Loopies hatte sich aus familiären und weiteren Gründen bereits auf den Weg nach Hamburg machen müssen. Im Laufe des Abends schält sich aber heraus: Wir werden singfähig sein, in allen Sections sind ausreichend Stimmen vorhanden – in diesem Zusammenhang einen Riesendank an alle, die sich spontan in Bahn oder Auto gesetzt haben bzw. länger geblieben sind! Der folgende Vormittag der Ergebnisbekanntgabe wird unter diesen Vorzeichen natürlich noch einmal besonders spannend, denn warum wir am Abend singen sollen, hat man uns nicht mitgeteilt. Wir gehen (und das ist kein Understatement!) bis zu diesem Zeitpunkt von einer Würdigung eines besonders schönen Arrangements des Pflichtstücks aus, das sich ins abendliche Programm aufzunehmen lohnt – und sind damit schon mehr als happy!
Die Kategorie G1 kommt natürlich wie so oft zum Schluss an die Reihe. Bis dahin haben wir aus allen Ecken des Kuppelsaals spontane Begeisterungsstürme erlebt, wenn Punkte und Preise vergeben werden – man muss sich einfach mitfreuen! Wir allerdings warten noch eine ganze Weile, bis wir aufgerufen werden – immer ungläubiger. Dann brechen auch bei uns alle Dämme. 23,5 Punkte, der Bronzeplatz – welch ein Ergebnis! Und welch Privileg, in solch einem starken Teilnehmerfeld (allein sechs Chöre nehmen mit hervorragendem Erfolg teil!) so weit vorne zu landen! Es ist nicht verwunderlich, dass wir durch den weiteren Verlauf des Tages schweben! Wir wollen aber nicht unterschlagen, dass wir vorm abendlichen Auftritt im Kuppelsaal sogar unseren Beitrag zur Chorbegegnung in der Gartenkirche singen dürfen – weil viele organisatorische Köpfe ganz viel für uns möglich machen. Eine Verneigung!
Diese gilt übrigens auch dem freundlichen Hausmeister der Kirchengemeinde – oder, nein, ist es der Küster? (In Wahrheit handelt es sich um den Pfarrer – einen Mann mit sehr viel Humor – entschuldigen Sie vielmals!)
Der Kuppelsaal ist der größte klassische Konzertsaal Deutschlands – da kommt Ehrfurcht ganz von alleine!
Notdürftig versuchen wir auf die Schnelle, unserem Choroutfit einen Anschein von Frische zu verpassen- mit diesem Auftritt haben wir ja nicht mehr gerechnet und die Klamotte teilweise schon sehr platzsparend in den Koffer gestopft. Cantaloop, der Knitterchor.
Der heutige Abend setzt unseren sommerlichen Tagen in Hannover tatsächlich die Krone auf und wir werden wehmütig, als wir, mit mittlerweile etwas schweren Beinen, aber vollkommen glückselig, nach der Preisverleihung zur Bahn wanken. Oder ist es die Bahn, die wankt? Eine kurze Durchsage der Fahrerin verrät´s, die in dem bis zum Bersten gefüllten Gefährt schon fast untergeht: „Sie dürfen gerne singen, aber hören Sie auf zu hüpfen, ich kann hier sonst nicht losfahren!“ Also singen wir. Denn das tun wir ohnehin am liebsten.